Wenn man den Titel liest, könnte man auf den Gedanken kommen, dass nun ein Reisebericht über die Schweiz folgt. Wobei die Richtung auch nicht ganz falsch ist, denn es geht um ein Schweizer Nationalsymbol: das Alphorn. Neben Schokolade, Käse und den berühmten Taschenmessern eben das, woran jeder denkt, wenn über die Schweiz gesprochen wird. Aber wie heißt es doch: Warum in die Ferne schweifen, sieh – das Gute liegt so nah.
Denn wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, zufällig an einem Montag durch Stücken streifen und Alphornklänge hören, so ist das völlig normal. Jeden Montag probt auf dem Hof des Landschaftsfördervereins das Stückener Alphornquartett. Vier Herren mit ca. 3,5 Meter langen Hörnern haben Spaß an diesem Hobby.
Wie aber kam es dazu, dass Brandenburger zu Alphornbläsern wurden. Alles begann mit einem Urlaub auf der Seiser Alm in Südtirol. Da hörte der Gründer des Quartetts, Helmut Ludwig, zum ersten Mal live ein Alphorntrio und war sofort begeistert. Es vergingen aber noch ein paar Jahre bis es konkret wurde. Ein Urlaub in Ramsau im Berchtesgadener Land wurde, nicht ganz uneigennützig, gebucht, denn dort gab es einen bekannten Alphornbauer. Der ließ Herrn Ludwig Zeit, sich in der Werkstatt und im Schauraum umzusehen. Und er durfte sogar eines der Alphörner ausprobieren. Dass dies auf Anhieb klappte, hatte sicher mit dem Umstand zu tun, dass Herr Ludwig jahrelange Erfahrung als Jagdhornbläser hatte. Als Jäger gehört für ihn das Verblasen des erlegten Wildes zur Jagd und zur Jagdethik.
Und so bestellte er sich zu seinem 60. Geburtstag beim Alois Biermaier ein Alphorn. Der Anfang war gemacht. Jetzt galt es auch andere aus der Jagdhornbläsergruppe „Stückener Heide“ zu überzeugen, denn alleine wollte Herr Ludwig auf Dauer nicht spielen. Bald waren Dietmar Sandvoß und Axel Schulz mit dabei. Mit Detlef Heuer wurde aus dem Trio dann das heutige Stückener Alphornquartett.
Machen wir aber zunächst einmal einen Ausflug in die Geschichte des Alphorns. Wer hat’s erfunden – also in diesem Falle nicht die Schweizer. Das Horn war in vergangenen Zeiten zuallererst ein Signalmittel, mit dem man sich in den Bergen verständigte und vor Gefahren warnte. Und das eben nicht nur in der Schweiz und Österreich, sondern auch in den Anden, den Karpaten, der Hohen Tatra, also Peru, Rumänien und Slowakei. Darüber hinaus aber auch in Ungarn, Polen und Skandinavien. Ja, selbst bei den Maori in Neuseeland waren Hörner im Gebrauch. 1527 ist die erste schriftliche Erwähnung datiert. Im Rechnungsbuch des Klosters St. Urban. Dann geriet das Alphorn in Vergessenheit, denn viele Bergbewohner verließen ihre Heimat aus wirtschaftlichen und religiösen Gründen. Erst mit der Romantik entdeckte man das Alphorn auch künstlerisch neu. In der Malerei und Musik dieser Zeit taucht das Alphorn in Bild und Ton wieder auf. Der Vater von Wolfgang Amadeus Mozart, Leopold Mozart komponierte eine Sinfonie (Sinfonie Pastorale) für Alphorn und Streicher. All das ist Ausdruck der Hinwendung der Menschen zur Natur und den Bergen. Die Blüte des Alphorns begann mit dem Aufblühen des Tourismus im 19. Jahrhundert. Musikalisch nutzen viele Richtungen das Alphorn, neben dem Jazz, auch im Pop und natürlich in der Volksmusik. Der bekannte Schweizer Bandleader Pepe Lienhard (Begleitorchester von Udo Jürgens) schrieb einen Titel mit Alphorn. Mit Swiss Lady – so hieß der Song – erreichte die Schweiz immerhin den 6. Platz beim Eurovision Song Contest 1977. Eher ungewöhnlich – im Orgelregister des Ulmer Münsters gibt es eine Alphornstimme.
Daneben gab es in der Vergangenheit Auftritte in der Riebener Kirche, beim Stückener Blasmusikfest, bei der AWO in Michendorf und bei Geburtstagen von Jagdfreunden. Zum Repertoire gehören gegenwärtig ca. 12 Stücke. Und dann kam Corona mit seinen Einschränkungen. Fehlende Auftritte sind seither schon ein Problem. Aber die vier Alphornbläser haben weiter geprobt und sich motiviert. In Zukunft möchten sie wieder mit dem Blasorchester Stücken zusammenarbeiten und bei in der Gemeinde stattfindenden Festen mitwirken.
Das längste bespielbare Alphorn hat eine Länge von 14 Metern. Die Länge des Instrumentes bestimmt den Tonumfang. Auf dem Alphorn kann man keine komplette Tonleiter spielen, sondern eine so genannte Naturtonreihe. Ein Alphorn auf den Naturton F gestimmt erreicht eine Länge von 3,69 m. Ein Es-Horn schon 4,20 Meter. Interessant ist auch, dass das Alphorn auf Grund seines Kesselmundstückes eigentlich zu den Blechblasinstrumenten gehört. Die zwölf möglichen Töne, so erklärt mir Herr Ludwig, werden durch unterschiedliche Lippenstraffung und entsprechende Lungenarbeit (Atemdruck) erzeugt. Das macht das Instrument für Bläser generell wichtig. Denn es wird, vereinfacht gesagt, die Lunge trainiert. Helmut Ludwig weiß auch interessantes zum Entstehen des Alphornes zu berichten. In früheren Zeiten nutzte man die an Hängen gewachsenen alpinen Bergfichten. Ihre Wuchsform durch die Anpassung an die Hanglage war schon eine natürliche Voraussetzung für die weitere Bearbeitung. Der Baum wurde unterhalb des Bogens abgeschnitten, geschält, danach mehrere Monate im Wasser gelagert, damit später keine Risse entstehen. Erst dann wird er aufgeschnitten, mit Hobel und Kehleisen bearbeitet, so dass am Ende die konische Form entsteht. Nach dem Einpassen des Mundstückes konnte es dann losgehen. Heute besorgt eine computergesteuerte Fräse die Herstellung des Schalltrichters. Das Rohr wird ebenfalls maschinell hergestellt, in der Regel in drei Teilen. Die Frage, warum der Schallbecher nach oben gekrümmt ist, beantwortet Herr Ludwig ganz einfach. Bei der Länge des Rohres lässt sich das Instrument nun mal nicht halten. Beim Aufsetzen des Horns würden die Töne ohne die Krümmung in den Boden abgeleitet werden.
Ob E-Horn, F-Horn oder As-Horn – sie alle erzeugen eine besondere Stimmung, die natürlich nur im Freien oder in großen Räumen so recht zur Entfaltung kommt. Man kann sich vorstellen, wie die Musik unter die Haut geht, wenn z.B. 600 Alphörner von den Gipfeln ihre Töne erklingen lassen. Solche Musikevents kann man sicher nur in der Schweiz erleben. Den Alphornbläsern aus Stücken wünsche ich viel Spaß beim Proben und viel Erfolg bei ihren Auftritten. Und vielleicht hat der Artikel bei Ihnen die Lust geweckt es einmal auszuprobieren. Die vier Alphornbläser freuen sich auf Zuwachs. Alphornsextett klingt doch auch gut.
Der Märkische Bogen ist eine unabhängige Zeitschrift für alle Ortsteile der Gemeinde Michendorf. Die Zeitschrift erscheint monatlich und ist in einigen Geschäften der Gemeinde im Einzelkauf erhältlich. Das Jahresabo kommt per Post und kostet lediglich 15 Euro.